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Zwangsversteigerung treibt mich in den Wald

„Flurstücke 98 und 99 werden zwangsversteigert. Laut Gutachten handelt es sich um Wald.“ Diese Information finde ich nach ein bisschen Recherche hinter einer Ebay-Anzeige. Das zuständige Amtsgericht ist um die Ecke, die Versteigerung im Februar. Der Schätzwert liegt bei ca. 4000 € für knapp 50a, also einen halben Hektar. Mein Interesse ist geweckt.

Was ist der Plan?

Karte mit eingezeichneter Route

Ziel: Das Stück Wald, das versteigert werden soll besuchen und mich dort umsehen, um einen Eindruck zu bekommen, wie groß es ist und wie es da aussieht.

Location: Wald bei Impekoven; Abzweigung Pützweg, Breite Allee

Wetter: 4° C, bewölkt, am Nachmittag Sturmböen vorhergesagt.

Vorbereitung: 1l Wasser, Nussmischung, Feuerstahl, Messer, Zunderbeutel, Müsliriegel, Hobo-Kocher und Sitzunterlage einpacken.

Wie ist es gelaufen?

Vorbereitungen

Warum Wald ersteigern? Bei Zwangsversteigerungen bekommt man teilweise schon sehr günstig den Zuschlag. Manchmal gehen Objekte für ca. 50 % des Schätzwertes über den Richtertisch. Und als Waldbesitzer ist es leichter, eine Sondergenehmigung für die Dinge zu bekommen, die normalen Bersucher:innen im Wald erst mal verboten sind (Zelten, Feuer machen, Holz machen, etc.)

Wo müssen wir hin? Die Ebay-Anzeige will mir streng genommen nur einen Info-Newsletter für Zwangsversteigerungen für knapp 100 € verkaufen, und keinen Wald. Aber mit ein bisschen Recherche lande ich beim Amtsgericht Bonn. Dort finden sich die nächsten 10 Termine für Zwangsversteigerungen. Alle mit detaillierten Informationen versehen, teils mit Gutachten und genauen Ortsbezeichnungen.

Das richtige Flurstück zu ermitteln braucht manchmal etwas Detektivarbeit. Mir helfen dabei folgende Seiten:

Die Lage. Tommy und Sandra, die mich begleiten, konnte ich folgende Detail-Infos schicken: An der Kreuzung Pützweg – Breite Allee geht man den Weg etwa 60 Meter weit. Dann steht man mitten in dem Waldstück. Nach links geht es ca. 80 Meter, nach rechts 20 -25 Meter. Und dann L-förmig weiter:

Schreibtisch-Täter unterwegs

Bergauf. Sandra ist die fitteste von uns. Tommy und Klabbi arbeiten am Schreibtisch. Ich merke das hauptsächlich bergauf. Ich fühle meinen Körper. Atme kühle Luft, mir wird warm, die Füße auf dem Boden. Schritt für Schritt. Wenn ich akzeptiere, dass es mich körperlich fordert, macht es Spaß.

Ich war in der Ecke schon unterwegs und habe mittlerweile die topografische Karten-Version von OpenStreetMap entdeckt: opentopomap.org. Damit kann ich gut abschätzen, dass wir einen sanfteren Aufstieg haben, als ich ihn damals hatte. Und wenn wir einmal den Hügel erklommen haben, geht es eben weiter, ohne Berg- und Talfahrt.

Der Wald. Wieder fällt mir auf, wie viel „aufgeräumter“ ich den Wald in meinen Kindheitserinnerungen habe. Auch vor 20 Jahren war ich ab und an im Wald unterwegs. Aber da lag nie so viel Totholz. Auch an große Wiederaufforstungen oder Kahlschlag-Lichtungen erinnere ich mich nicht. Sind das jetzt verklärte Kindheitserinnerungen? Oder ist der Klimawandel so sichtbar im Wald angekommen und Stürme oder Borkenkäferbefall haben großflächige Schneisen hinterlassen?

Wald Kunst? An manchen Stellen stehen aufeinandergestapelte Kunstwerke aus  Baumscheiben und Verschnitt. Mir kommt es vor als hätten Landart-Künstler:innen sich hier ausgelebt. Oder haben solche Gebilde irgend einen ökologischen Nutzen?

Psssst

5 Minuten schweigen. Gar nicht so leicht. Unterwegs schlägt Sandra vor, einfach mal 5 Minuten im Schweigen zu gehen und den Wald wahrzunehmen, ohne zu reden. Gar nicht so leicht in unserer schnelllebigen Zeit. Wir sind es eher gewohnt, eine E-Mail zu beantworten, während wir ein Video mit Untertiteln schauen und im Hintergrund Nachrichten laufen, als mal 5 Minuten zu schweigen.

„Schweigen heißt: Du redest nicht.“, hat einer meiner Lehrer mal Schweige-Phasen auf Seminaren eingeleitet. Als müsse man das erst erklären. Muss man aber.

„Wenn du das Schweigen brichst, brichst du es für die ganze Gruppe.“, ist ein zweiter Satz, der mir in Erinnerung geblieben ist. Begleitet von einem Witz über drei Mönche, die beschließen, ab jetzt zu schweigen. Am nächsten Morgen sagt der eine ganz verblüfft: „Jetzt haben wir ja schon einen ganzen Tag geschwiegen!“. Antwortet der Zweite: „Aber jetzt hast du ja doch ‚was gesagt!“. Und der Dritte, mehr zu sich selbst: „Nur ich noch nicht…“.

Pause. An einer Lichtung, in der kräftig wieder aufgeforstet wird, rasten wir. Der Baumstumpf, auf dem sich sitze, ist gefroren. Eine dünne Eisschicht bedeckt ihn. Ich bin erneut begeistert von meiner Mini-Isomatte*. Die ist am Ende der Pause zwar leicht festgefroren, aber ich hab weich, trocken und warm gesessen. Und ins Laptop Fachs des Rucksacks passt sie als sei das dafür gemacht.

Es ist immer wieder ein kleines Wunder, wie viel Energie mir eine kurze Pause und ein (vielleicht sogar heißes) Getränk gibt. WOW.

Es weihnachtet noch. Noch mehr Wald Kunst? Am Ausgang der Lichtung hat jemand einen kleinen Christbaum installiert. Die Kugeln sind schon arg mitgenommen, aber die Geste ist schön. Ob der Förster das weiß und sich auch freut? Oder ob der sich ärgert, wenn er irgendwann den Plastikmüll entsorgen muss?

Zum Ersten, zum Zweiten, und  zum…

Das Flurstück. Der Pützweg ist ein gut befestiger Waldweg. Hier kannst du mit dem Rad oder per PKW fahren. Und dieser Weg führt mitten über das Flurstück, das versteigert wird. Ich hatte mit einem kleinen Trampelpfad gerechnet. Oder vielmehr darauf gehofft.

Wenn man einen Wald bewirtschaften will, ist so ein Weg sicher Gold wert. Aber wenn man eigentlich lieber keinem begegnen möchte, bei seinem Mikro Abenteuer, fühlt sich dieser Weg erst mal nach sehr viel mehr Trubel an als mir lieb ist.

Birkenwald. Und dann sind wir da. Birken, soweit das Auge reicht. Dicht an dicht stehen sie. Noch dichter als auf dem Foto. Ein Betreten der Fläche ist schlichtweg nicht möglich.

Und keine ist höher als 3 Meter. Die ganze Fläche voll. Man sieht noch den Zaun, der die Schonung vor Tieren geschützt hat. Er ist mittlerweile umgestürzt und auch ziemlich überwuchert.

Laien-Gutachten. Mein Eindruck als Laie ist, dass das mal eine Kahlschlag-Fläche war, die dann mit Birken aufgeforstet wurde. Man hat (zu) viele Bäume gepflanzt, um nachher die schwächeren zu fällen und die starken weiter wachsen zu lassen. Scheinbar ist dieser Schritt jedoch unterblieben und jetzt stehen sie dicht bei dicht. Alle gleich dick, alle gleich hoch und nehmen sich gegenseitig Licht und Nährstoffe weg.

Eine Frage an die Waldprofis: Liege ich da richtig? Oder ist das sinnvoll, Birkenwald so zu bewirtschaften? Wenn du eine Antwort weißt, schreib sie gern unten als Kommentar.

Kosten-Nutzen. Zu den Kosten für den Wald kämen so noch mal Kosten für die notwendige Bewirtschaftung dazu. Und dann hast du einen Wald, in dem du zwar gehen kannst, der aber halt sehr, sehr jung ist.

Alles nass. Wir gehen neben dem Birkenwald ein Stück ins Gelände hinein. Aber auch von der Seite finden wir keinen Zugang in die Fläche, die versteigert wird. Zumal der Boden wirklich wirklich nass ist. Ich hoffe, der milde Winter mit den regelmäßigen leichten Regenfällen hilft ein wenig, die Wasserspeicher im Wald wieder aufzufüllen.

Rückweg & Kochen im Garten

Planänderung. Wir gehen nicht zurück zum Bahnhof, sondern steuern noch mal den Garten an, den Sandy und Tommy nutzen können. Das sind zwar rund 6 km Fußweg. Aber wir können ja zwischendurch Päuschen einlegen und weite Strecken geht es sanft bergab.

Im Garten. Hier heißt es, die Fundstücke begutachten, die wir aus dem Wald mitgebracht haben. Dort oben ist viel Laubwald. Entsprechend viel Birken-Totholz lag herum. Wir haben etwas Birkenrinde mitgenommen. Leider ist sie zu feucht, um damit Feuer zu entfachen. Oder ich muss noch die richtigen Videos finden, die zeigen, wie das geht.

Zunder. Was aber wunderbar funktioniert, ist Blackjack mit Kienspan. Der schwarze Stoff fängt den ersten Funken des Feuerstahls auf. Da der biegsam ist, kann ich ihn gut unterhalb des Kienspan platzieren und leicht anpusten. Die Hitze steigt auf und bringt das harzige Holz erst zum Rauchen, dann entflammt es.

Kochen. Die erste Idee war, die Bohnensuppe direkt in der Dose zu erhitzen. Die ist innen aber mit Plastik beschichtet. Daher füllen wir sie um, strecken sie mit Wasser und lassen sie aufkochen. Ganz so lecker wie auf dem Bild sieht es nicht aus. (Ich habe wieder vergessen zu fotografieren, daher das Symbolbild). Aber Essen im Freien nach einem längeren Marsch ist immer lecker, fast egal, was es gibt.

Neuer Blackjack. Trotz des einsetzenden Schneeregens nutzen wir das Feuer und stellen noch eine Dose Blackjack her. Nachdem es ordentlich geraucht hat, ist das kleine Wunder passiert: Der Stoff ist verkohlt, aber nicht verbrannt.

Was habe ich gelernt?

  • Motivation. Warme Getränke sind gut für die Motivation. Ein paarmal machen und Weg, Steigung und Wetter zu schaffen und drücken auf die Stimmung. Aber nach einem warmen Tee oder Kaffee geht es allen besser.
  • Schweigen & bewusst wahrnehmen. Ich fand den Impuls von Sandra sehr wertvoll, eine Weile einfach bewusst und schweigend durch den Wald zu gehen. Das nehme ich mir für mein nächstes Mikro Abenteuer vor: Die Natur bewusst wahrnehmen.
  • Hingehen! Gut, dass ich nicht auf die verrückte Idee gekommen bin, das Waldstück ungesehen zu ersteigern. Und die alte Regel gilt: Wenn es zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es nicht wahrt. 🙂
  • Gute Survival Partner. Wenn du mit Sandy und Tommy in den Wald gehst, wirst du nicht verhungern. Gefühlt der halbe Rucksack ist gefüllt mit Essen. Wenn mal eine Notlage ausbricht, fliehe ich mit euch in die Wälder. 🙂

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